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Udo Leist

Bernd Lauter trifft Udo Leist

Wie hat das mit dem Fotografieren bei Dir angefangen?

Als Jugendlicher bekam ich eine alte PORST 135L meines Onkels geschenkt und fing an zu knipsen. Ich fand es interessant und ersetzte sie später durch eine erste Spiegelreflex von Fuji. Das intensivierte sich dann im Kunst-Leistungskurs und nahm im anschließenden Kommunikationsdesign-Studium an der UGH-Essen, Abteilung Folkwang so richtig Fahrt auf. Während des Studiums trudelten die ersten Jobs ein, das eigene Fotolabor wurde eingerichtet, wie das seinerzeit so lief.

Du bist ja nun schon lange im Berufsleben. Gibt es neben den technischen Entwicklungen etwas, was Deine Fotografie langfristig beeinflusst hat?

Letztendlich ist es die Tatsache, dass ich meine Profession vornehmlich als Gestalter sehe und nicht auf das Medium Fotografie beschränke. Das zieht sich mein ganzes Berufsleben hindurch. Schon in meiner Bewerbungsmappe für die Hochschule in Essen hatte ich Fotoarbeiten und grafische Arbeiten eingereicht. Im Grundstudium mussten wir ohnehin beides erlernen und praktisch ausführen. Da ich beides sehr gerne machte, habe ich auch im Hauptstudium beide Disziplinen weiter verfolgt. Während des Studiums wurde ich schon von einer kleinen Agentur „eingefangen“ und habe dort fast 10 Jahre als Grafiker und Fotograf gearbeitet. Das habe ich auch nach Gründung meines eigenen Studios für Kommunikationsdesign vor gut 25 Jahren beibehalten.

Im Bereich der Fotografie habe ich sehr viele Disziplinen abgearbeitet. So wie die Projekte es verlangten. Von der Table-Top Fotografie für u. a. die Chemische Industrie über Architektur, Interieur, Reportage, People, Dokumentation und Veranstaltungsfotografie bis zu Editorial, was ich in den letzten Jahren intensiver verfolgt habe, da ich die komplette Art-Direktion für ein Kundenmagazin in meinen Händen hatte.

Nun gibt es den Begriff von der eierlegenden Wollmilchsau und es gibt Mitmenschen, die der Meinung sind, wenn das Portfolio zu viele Disziplinen abdeckt, würde man nichts richtig können. Wie stehst Du dazu?

Diese Argumentation kenne ich und die ist mir natürlich auch begegnet. Wenn man allerdings so lange dabei ist und diese enormen Entwicklungsschritte in der Fotografie und im Bereich des Grafik-Designs durchlebt hat, dann ist es völlig klar, dass man viele Disziplinen mitgespielt hat. Im Grunde ist es so wie in jedem der Teilbereiche des Kommunikationsdesigns. Es gibt unzählige Themen und Sichtweisen und gerade das macht es interessant.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Kunden es sehr geschätzt haben, dass ich im grafischen und fotografischen Bereich liefern konnte. Wenn ich layoutet habe, hatte ich schon die passenden Bilder im Kopf. Und wenn ich für ein Projekt fotografiert habe, das komplett in meiner Verantwortung lag, dann wusste ich, wo Platz für eine Headline, Textspalten oder andere grafische Elemente bleiben musste und habe entsprechen variabel gearbeitet. So gab es im Projekt relativ wenig Erklärungsbedarf und so gut wie keinen Reibungsverlust. Das hat den Kunden in der Regel Aufwand, Zeit und Geld gespart. Abgesehen davon, dass sich das Ergebnis mitunter runder und aus einem Guss präsentierte.

Wie unterscheiden sich heute Deine freien Projekte von den Auftragsarbeiten?

Ich habe in den letzten Jahren in den Auftragsprojekten überwiegend Menschen fotografiert. In meinen freien Arbeiten kommen diese nur recht selten vor. Und genau hier landen wir wieder bei deiner vorletzten Frage, die ja noch nicht abschließend beantwortet ist. In meinen freien Projekten entstehen relativ ruhige und stille Bilder. Da es meist Langzeitprojekte sind, entwickeln sich durch die Art und Weise des fotografischen Blickes in Kombination mit den Erfahrungen des grafischen Arbeitens Bildserien und Sequenzen, die ausgewogen gestaltet sind. So wird es mir jedenfalls von außen herangetragen.

Ich glaube das langjährige Aufteilen von Formaten, das Arbeiten mit Texten, Bildern, Weißräumen und Elementen im grafischen Bereich setzt sich intuitiv beim Fotografieren fort. Der fotografische Blick, den wir ja alle kennen, lässt uns anders und unter die Oberfläche sehen und die grafische Erfahrung führt zu einer spezifischen Form der Bildkomposition. Die entdecke ich mitunter selber erst bei der Auswahl der passenden Bilder oder dem Editieren der Serien.

Im lauten und konstant um Aufmerksamkeit buhlenden multimedialen Overkill der heutigen Zeit bilden die Arbeiten einen starken Kontrast. Sie sind nicht bunt, sie sind nicht laut. Sie bilden einen Ausgleich, für den man sich etwas Zeit, Ruhe und Aufmerksamkeit einräumen muss, um sie in ihrer Wirkung zu erfassen. Sie sind nicht für eine flüchtige Betrachtung fotografiert.

Portätfoto von Udo Leist: Gabriele Moeller


© Wegsehen-zwecklos