Thomas Schäkel spricht mit Dirk Jeske
Hallo Dirk, reden wir über Fotografie - journalistische Fotografie. Wie wichtig sind für dich Bildinhalte? Ist Bildinhalt gleich Motiv?
Bildinhalte sind die absolute Pflicht. Da muss es aber nicht immer um weltbewegende Dinge gehen. Vernünftige Motive, die eine Geschichte vermitteln, die Interpretationen zulassen und dem Bild eine zusätzliche Ebene verleihen, kann man eigentlich immer finden. Du kannst eine verlassene Kinderschaukel fotografieren, etwas abgenutzt – vielleicht mit trostlosem Hintergrund und schon hast Du ein Bild, dass sich interpretieren lässt. Für einen Sonnenuntergang oder Blumenblüten würde ich die Kamera nicht mehr zücken – obwohl, zu meiner Zeit als Freier bei verschiedenen Tageszeitungen, war so was immer ein gern gesehenes Motiv. Auch ein Grund, warum ich den Job nicht mehr machen wollte.
Das Netz ist voll von überflüssigen Bildern, da muss ich nicht auch noch triviales Zeug fotografieren. Aber das ist Ansichtssache, für andere Fotografen ist eine Hummel auf einem Kleeblatt ein gelungenes Bild: ist ok!
Ist ja durchaus möglich, dass es bald keine Hummeln mehr gibt. Dann wäre eine Hummel auf einem Kleeblatt sicher bald ein dokumentarisches Foto, das Umweltaktivisten von irgendeinem Kühlturm in Leverkusen herabrollen.
So ist es. Die Sache mit den Bildinhalten und den Motiven, sollte man vielleicht dann doch nicht so hoch hängen.

Trotzdem muss es doch einen Auslöser dafür geben, dass Du abdrückst? Worauf wartest Du?
Meine Motive finde ich in der Peripherie von Veranstaltungen, Demonstrationen, Parteitagen oder anderen Anlässen, zu denen Menschen zusammenkommen. Menschen sind mein Thema, andere Motive interessieren mich wenig – eigentlich gar nicht. Bist du dann vor Ort, musst du gut beobachten und Dinge voraussehen. Einfach mal die Füße stillhalten und nicht hektisch herumrennen; da trennt sich dann die Spreu vom Weizen. Sei kommunikativ und warte auf den richtigen Moment – schwer zu sagen, was das ist. Da ist auch eine Menge Glück mit im Spiel aber auch Frust, wenn Du plötzlich auf der falschen Seite stehst und sich die Akteure von dir weg bewegen. So sind auch viele der Bilder entstanden, die ich bei „Wegsehen zwecklos“ zeige, Bilder im öffentlichem Raum. Obwohl die schon ein anderes Kaliber sind. Das hat mit rein journalistischer Fotografie weniger gemein.
Inwiefern, was macht da den Unterschied?
Für „Wegsehen zwecklos“ setze ich auf meine „Terms“. Hier zählt nicht das konservative, einzelne Bild, das eine Story vermittelt. Gerade hier will ich mehr, als nur zeigen – dokumentieren. Hier geht es um Reize, um Provokation und Kontroverse. Nur Bilder zu konsumieren, kurz zu schauen und dann weiterzugehen, kommt nicht in Frage. Im besten Fall fragt sich ein Betrachter, „was will der Jeske von mir“? Da ist mir die Komplexität in meinen Bildern schon wichtiger, als Zustimmung. Selbst eine Ablehnung meiner Arbeit, setzt ja schon eine Auseinandersetzung damit voraus. Dann ist das absolut ok, wenn der Daumen nach unten geht!

Gut, blicken wir in die Zukunft – was wird?
Schwierig abzuschätzen. Ich habe damals, als die Fotografie digital wurde schon meinen Abgesang formuliert. Schwarzweißfilm war für mich immer das Mittel der Wahl. Dann viel der Vorhang und analog war out. Plötzlich konntest/musstest du hunderte Bilder in wenigen Minuten dem Kunden, der Redaktion übermitteln. Da haben dir die Redakteure die Speicherkarten schon fast aus den Händen gerissen, weil sie die Bilder aussuchen wollten. Da musstest du als Fotograf deine Kompetenzen neu definieren und vor allem, durchsetzen.
Genau wie in den frühen 2000ern, wird sich die journalistische Fotografie – in Konkurrenz zu KI und den vielen Bildportalen auf den sozialen Netzwerken, eine Nische suchen müssen. Das die immer kleiner wird, ist wohl unübersehbar. Vielleicht wird „gute“ journalistische Fotografie in Zukunft eine Disziplin, die der Kunst zugeordnet wird. Fände ich gar nicht schlecht! Dann wären die Zeiten der angebotenen Bildankaufshonorare in Höhe von €25.- endlich vorbei … - glaube ich aber nicht.