Markus Bollen spricht mit Ute Schmidt
Markus: Hallo Ute, das ist ja schön, dass ich Dich endlich mal kennen lerne. Ich war total geflasht, als ich deine Bilder von den zwei Hühnern gesehen habe. Eigentlich ist es ja ein Huhn. Ich finde, das passt super in die Ausstellung „Wegsehen Zwecklos“, weil Du mit zwei Bildern das Leiden der Tiere zeigst, was wir sonst immer verdrängen. Wie bist du denn zu dem Huhn gekommen?
Ute: Ja das ehrt mich sehr, dass dir meine Bilder so gut gefallen. Ja, unser erstes Huhn kam vom Nachbarn buchstäblich dem Hauklotz entronnen in unseren Garten geflattert und lebte eine Zeit lang im Baum und auf unserer Terrasse. So alleine sollte es nicht bleiben. Dann las ich von der Aktion www.rettet-das-huhn.de. Die vermitteln Hühner, die ausgestallt werden (das heißt zum Schlachter unterwegs sind) und stattdessen an Privatpersonen vermittelt werden. So kamen wir zuerst zu Wilma und dann zu der abgebildeten Erna. Es ist unglaublich, wie diese geschundenen Kreaturen aus der Massentierhaltung sich in kurzer Zeit zu einem gesunden, ja man hat fast den Eindruck, stolzen Lebewesen entwickeln.
Markus: Wie lange leben die Hühner dann bei Dir?
Ute: Das kommt sehr darauf an wie sehr sie, ich sag mal vorgeschädigt sind. So zwei oder drei Jahre leben Sie dann bei uns.
Markus: Schön, also die leben in einem Stall, kommen aus der Bodenhaltung. Und man denkt ja immer, Bodenhaltung ist gut, aber nach einem Jahr sehen die Hühner aus, wie auf dem ersten Bild, fast ohne Federn. Wenn Sie ein Jahr bei dir sind, haben sie wieder ein volles Federkleid. Das ist dann ein ganz anderes Tier, man möchte fast sagen, mit einem richtigen Selbstbewusstsein. Toll, sehr schön!
Ute: Es ist vor allen Dingen auch so, dass man das Gefühl hat, dass die Tiere regelrecht dankbar sind, weil sie immer an meinem Rockzipfel hängen, sobald ich den Garten betrete. Sie laufen mir immer hinterher. Das ist wirklich ganz süß. Mittlerweile habe ich 10 Hühner und vor allem alte Rassen.
Markus: Wie bist du denn zur Fotografie gekommen? Ich meine, du hättest ja auch was ganz anderes werden können.
Ute: Das kam durch meinen Amerika-Aufenthalt, weil ich da so viel Neues gesehen hatte, das ich festhalten wollte. Das waren noch analoge Zeiten und das hat mich einfach sehr begeistert.
Markus: Wann warst du denn in Amerika?
Ute: Das ist schon lange her, das war in den Achtzigerjahren.
Markus: Da gab’s noch keinen Donald Trump.
Ute: Nein, damals gab’s noch keinen Donald Trump, da gab´s Ronald Reagan.
Markus: Ronald Reagan, der Schauspieler, der Cowboy-Darsteller. Und du hast in Amerika Fotografie gelernt und dann weiter gemacht. Was beschäftigt dich am meisten an der Fotografie? Was machst du für eine Fotografie?
Ute: Ich habe in Amerika ein Kunststudium mit Schwerpunkt Fotografie belegt. Ich war dort sogar Tutorin im Fotolabor. In Deutschland rundete ich meine Ausbildung mit einer handwerklichen Lehre ab. Ich wollte aber immer Geschichten erzählen. Irgendwann war Not am Mann, besser gesagt an der Frau, bei der Frankfurter Rundschau. Sie mussten unbedingt eine Fotografenstelle besetzen. Da bin ich dann ins kalte Wasser gehüpft, habe diese Aufgabe an mich genommen und bin sehr lange beim Journalismus geblieben. Heute fotografiere ich Portraits, sehr individuelle Portraits. Das ist für mich meine Lieblingsbeschäftigung in der Fotografie geworden: Von und mit Menschen zusammen kreative und unkonventionelle Portraits erschaffen.
Markus: Was war dein schönster Auftrag?
Ute: Mein schönster Auftrag? In all diesen Jahren? Mein schönster Auftrag war eine Dokumentation für eine Künstlerin. Das war in Stuttgart damals. Ihre Eltern waren gestorben. Sie wollte, dass alles in dem Haus fotografiert wird. Damit hat sie wirklich ALLES gemeint. Also nicht nur ein paar schöne Schmuckstücke oder Möbel, sondern wirklich alles. Bleistifte, Spitzer, Vasen, abgelegte Bücher, Kleider, Bettwäsche. Das fand ich sehr, sehr interessant, weil zum Schluss ein Gesamtkonzept entstanden ist. Ich konnte mir nachher ein Bild von den Leuten machen, die dort gewohnt hatten, obwohl ich sie nie kennen gelernt hatte. Es war eine Arbeit von vielen Wochen. Die Sachen wurden nach und nach aus dem Haus getragen. Es soll eine Ausstellung daraus werden.
Markus: Was wäre dein Traumjob? Was sollte jemand aufgrund der Bilder, die er in der Ausstellung sieht, dir als Job anbieten?
Ute: Eine umfangreiche Reportage, vielleicht auch gerade über Tierleid oder auch über Umweltschäden. Beispiele geben, wie wir wieder bewusster in unserer Umwelt leben können. Damit meine ich nicht Homeoffice im Grünen: das Wohnmobil in schöner
Kulisse, den Laptop auf den Knien und Blick auf den See. Nein, nicht solche Reportagen. Es sollte einfach realistisch bleiben. Es geht mir einfach um Reportagen, die das Bewusstsein stärken für die Natur in Not – über unser Handeln und die Konsequenzen. Das umzusetzen ist sehr schwierig und würde ich als Herausforderung sofort annehmen. Das beschäftigt mich persönlich sehr. Es ist ein sehr vielfältiges Thema.
Markus: Schön, also du würdest gern an dem Thema weiterarbeiten?
Ute: Ja, das finde ich hochinteressant, ja!
Markus: Machst du auch sonst Ausstellungen?
Ute: Im Moment habe ich eine Ausstellung, die schon sehr lange läuft, weil sie den Leuten so gut gefällt. Das sind Räume, durch die Hunderte von Leuten laufen. In der tausche ich immer wieder Bilder aus. Es ist eine Portrait Ausstellung, in der ich immer wieder neue Bilder aufhänge, weil das gut ankommt und den Leuten zusagt. Für mich ist es eine super Werbung. Portraits sind ja auch eine Leidenschaft von mir. Und weil es mir nicht um die Berühmtheit sondern um die Individualität einer Person geht, spricht es wohl auch die Betrachter der Ausstellung so direkt an.
Markus: Warum bist du bei Freelens?
Ute: Weil ich den Kontakt zu anderen FotografInnen suche, weil ich mich austauschen, die Bilder von anderen Leuten anschauen möchte. Wie geht’s anderen? Was machen sie?
Markus: Dann freuen wir uns auf deine Bilder in der Ausstellung und dass wir uns dort mal wieder sehen. Vielen Dank.
Ute: Ich bedanke mich für das Gespräch, vielen Dank!