Berni Rivera im Gespräch mit Eric Lichtenscheidt
Hallo Eric. Erzähl doch mal was es mit Deinem Projekt auf sich hat, dass Du ausstellen möchtest. Es handelt sich ja um ein spezielles Mobile.
Ja. Dieses Mobile besteht aus rund 120 Fotografien, doppelseitig. Was der Zuschauer mitnehmen soll, ist das Gefühl, was die Summe dieser Bilder miteinander verbindet und weniger das supertolle Einzelbild. Also weg vom Focus der Einzelbildes hin zu einem Gesamtbild, weil diese Mobile sich ja auch kontinuierlich dreht und alle Bilder immer in unterschiedlicher Konstellation zu sehen sind. Das heißt, man schaut eigentlich auf Bilder, die sich gerade wieder wegdrehen, bekommt aber ein anderes an derselben Stelle geliefert.
Ich kann mir vorstellen, dass das a) anstrengend ist, wenn man sich wirklich darauf konzentriert und b) auch sehr intensiv sein kann, wenn man die Intention der Bilder langsam für sich erforscht.
Es handelt sich um autobiographische Bilder. Ich habe damals in einer kleinen Stadt in NRW gewohnt, zusammen mit vielen anderen in einer Art Groß-WG und wir hatten eine wirklich gute Zeit.
Welchen Zeitraum spiegeln diese Bilder wieder?
Diese Bilder spiegeln den Zeitraum Frühjahr bis Ende Sommer 2001 wieder. Ich musste viele Bilder noch analog nachproduzieren, weil ich natürlich damals die Originalabzüge, an die Abgebildeten weiterverteilt habe, mit besten Dank, und somit hatte ich sie dann nicht mehr für diese Ausstellung. Und wo kriege ich jetzt die Abzüge her? Wer macht mir überhaupt noch so schöne C41-Abzüge vom Negativ oder vom Dia? Das sind ja keine gescannten Negative, die dann einfach gedruckt werden.
Wie würdest die Unterschiede sehen zwischen der damaligen analogen Fotografie und der digitalen Fotografie von heute, bzw. der noch relativ neue KI-Technologie in der Fotografie?
Also, die analoge Fotografie war sehr viel ausgewählter, weil man einfach schon aus Kostengründen gar nicht so viel fotografierte und man, in Anführungszeichen, auch mal mit schlechteren Bildern zufrieden war. Da hat mal einer auf dem Gruppenbild die Augen zu. Dann hat man drei viermal draufgedrückt und dann das genommen was am besten war. Heute drücke ich 25 Mal drauf und dann habe ich immer eins dabei, wo alle die Augen auf haben und akzeptabel aussehen. Ein Hauptunterschied ist auch, dass ich wahnsinnig viel vor dem Computer sitze, was ich überhaupt nicht möchte und ich niemanden hab, der mir aus der Menge der Bilder jetzt das eine raussucht.
Früher gab es da Motto: Das Bessere ist des Guten Feind. Das Gute war früher gut genug und jetzt will man immer noch das Bessere erzwingen.
Die analoge Fotografie war im Vergleich sehr ehrlich. Das (was fotografiert wurde) muss irgendwie so gewesen sein, auch wenn das jetzt nur ein Ausschnitt ist und vielleicht die Perspektive verzerrt ist.
Zum Hochglanzartigen KI-Produkt – man muss es ja schon Produkt nennen, wo alles so zusammenfließt, mit gerne utopischen Motiven – Das langweilt mich. Die Authentizität von Fotos finde ich wichtig. Man kann mit der KI natürlich alles Mögliche konstruieren. Als klassischer Bildjournalist und Fotograf brauche ich eigentlich kein Photoshop. Was meine Kollegen immer ein bisschen verwundert, weil ich sage: Nein, ich bin Fotograf. Ich mache Fotos. Ich muss nicht verhunzte Fotos hinterher optimieren. Und die Steigerung dessen ist dann die KI, wo man gar kein Foto mehr braucht sondern gleich sagt, was man gerne hätte und dann der KI drei Seiten Prompts in der richtigen Reihenfolge eingeben muss. Dann kommt auch ungefähr das raus was man gerne hätte. Aber ich bin nicht Fotograf geworden, um mir drei Seiten Prompts zu überlegen, sondern um das Leben zu beobachten und mittendrin zu sein und es auch zu genießen.
Auf den Bildern deiner Website ist mir aufgefallen, dass sehr viel Portraits dabei sind und dass Du die Menschen dort sehr situativ fotografiert hast, relativ entspannt und locker. Kann man das als Deine Arbeitsweise so sehen.
Es ist eine meiner Arbeitsweisen, dass ich mit einem Menschen, den ich fotografiere, eine gewisse Zeit verbringe. Dieser ist ja in der Fotografie meist relativ unerfahren. Oft bin ich der erste Profifotograf, der diesen Menschen gegenübersteht. Ich nehme ihn dann erst mal an die Hand. Das dauert dann eine gewisse Zeit. Dann wird das lockerer, man geht ein bisschen durch das Unternehmen oder die Stadt, je nach Situation.
Wenn man dann hinterher aus der Menge von Bildern, die ich dann im Laufe dieser zwei, drei, manchmal auch fünf Stunden mache, die ersten und die letztem sieht, glaubt man nicht, dass das derselbe Mensch ist. Es ist ein sehr schönes Erlebnis, wenn ich merke, dass die Menschen sich aus ihrer Reserviertheit langsam öffnen und der Dialog über verschiedene Themen hinweg immer bessere Ergebnisse hervorbringt.
Vielen Dank, Eric, für das Interview.